Politik zur Neuen Grundsicherung 2026

Politische Debatten zur Reform - Von Bürgergeld zur Neuen Grundsicherung. Parteipositionen, Gesetzgebung und gesellschaftliche Diskussion

5 Min. Lesezeit
Politik zur Neuen Grundsicherung 2026

Die Umstellung vom Bürgergeld zur "Neuen Grundsicherung" ist eines der umstrittensten sozialpolitischen Vorhaben der letzten Jahre. In diesem Bereich informieren wir Sie über die politischen Positionen, das Gesetzgebungsverfahren und die gesellschaftliche Debatte zur Reform 2026.

Die wichtigsten politischen Streitpunkte

Sanktionen: Wie hart darf der Staat?

Die geplante Verschärfung der Sanktionen ist der größte Streitpunkt:

AspektBürgergeld (aktuell)Neue Grundsicherung (geplant)
Erste Pflichtverletzung10% Kürzung30% Kürzung
Wiederholte VerletzungBis 30%Bis 100% möglich
UntergrenzeExistenzminimum geschütztTotalsanktion möglich
BVerfG-KonformitätJaRechtlich umstritten

Der Konflikt: Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass Sanktionen über 30% nur unter strengen Bedingungen zulässig sind. Die geplanten Totalsanktionen könnten verfassungswidrig sein.

Vermögensgrenzen: Wieviel Erspartes ist erlaubt?

Die Absenkung der Vermögensfreibeträge betrifft viele Betroffene:

  • Aktuell (Karenzzeit): 40.000 Euro geschützt
  • Geplant (Karenzzeit): 15.000 Euro geschützt
  • Karenzzeit-Dauer: Von 12 auf 6 Monate verkürzt

Der Konflikt: Kritiker sehen darin einen Rückfall in die Hartz-IV-Logik, bei der Menschen erst ihre Ersparnisse aufbrauchen müssen, bevor sie Hilfe erhalten.

Zumutbarkeit: Welche Arbeit muss angenommen werden?

Die erweiterten Zumutbarkeitsregeln verschärfen den Druck:

  • Pendelzeit: Bis zu 3 Stunden täglich zumutbar
  • Qualifikation: Auch "unterwertige" Arbeit zumutbar
  • Umzug: Bei Bedarf bundesweit zumutbar

Positionen der Parteien

CDU/CSU: Treiber der Reform

Die Union hat die Verschärfungen maßgeblich vorangetrieben:

Kernforderungen:

  • "Vermittlungsvorrang" vor Qualifizierung
  • Härtere Sanktionen bei "Arbeitsverweigerung"
  • Niedrigere Vermögensfreibeträge
  • Stärkere Kontrolle der Mitwirkung

Argumentation: Das Bürgergeld schaffe "Fehlanreize" und mache Arbeit unattraktiv. Strenge Regeln seien nötig, um Menschen in Arbeit zu bringen.

SPD: Zwischen Reform und Sozialstaat

Die SPD ist in der Frage gespalten:

Regierungsflügel:

  • Trägt Reform grundsätzlich mit
  • Betont weiterhin geltende Schutzmechanismen
  • Verweist auf BVerfG-Vorgaben als Untergrenze

Linker Flügel (Jusos, linke Abgeordnete):

  • Kritisiert "Rückfall in Hartz-IV-Zeiten"
  • Fordert Beibehaltung der Bürgergeld-Standards
  • Warnt vor Verfassungswidrigkeit

Bündnis 90/Die Grünen: Kritische Begleitung

Die Grünen haben deutliche Bedenken:

Kritikpunkte:

  • Totalsanktionen sind unverhältnismäßig
  • Qualifizierungsansatz darf nicht aufgegeben werden
  • Existenzminimum muss in jedem Fall gesichert sein

Position: Einige Punkte werden mitgetragen, bei Totalsanktionen und Verfassungsfragen aber klare Ablehnung.

Die Linke: Grundsätzliche Ablehnung

Die Linke lehnt die Reform komplett ab:

Forderungen:

  • Beibehaltung und Ausbau des Bürgergeldes
  • Höhere Regelsätze (mind. 650 Euro)
  • Komplette Abschaffung von Sanktionen
  • Keine Vermögensprüfung

BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht): Eigene Konzepte

Das BSW kritisiert sowohl Bürgergeld als auch Neue Grundsicherung:

Position:

  • Bürgergeld war zu wenig auf Arbeitsmarktintegration ausgerichtet
  • Neue Grundsicherung geht zu stark auf Kosten der Betroffenen
  • Fordert eigenes Konzept mit besserer Vermittlung und fairen Bedingungen

FDP: Unterstützung der Verschärfungen

Die FDP unterstützt die Reform:

Kernpunkte:

  • "Leistung muss sich lohnen"
  • Stärkere Arbeitsanreize nötig
  • Sozialstaat darf nicht zur "Hängematte" werden

AfD: Radikale Forderungen

Die AfD fordert noch weitergehende Kürzungen:

Position:

  • Deutliche Absenkung der Regelsätze
  • Maximale Sanktionen
  • Arbeitspflicht für alle Leistungsbeziehenden

Gesetzgebungsverfahren

Zeitlicher Ablauf

DatumSchritt
Oktober 2025Referentenentwurf vorgelegt
November 2025Kabinettsbeschluss
Dezember 20251. Lesung im Bundestag
Januar 2026Ausschussberatungen
Februar 20262./3. Lesung Bundestag
März 2026Bundesrat
1. Juli 2026Geplantes Inkrafttreten

Bundesrat: Zustimmungspflicht?

Die Frage, ob der Bundesrat zustimmen muss, ist politisch relevant:

  • Wenn ja: CDU/CSU-geführte Länder könnten blockieren oder Verschärfungen durchsetzen
  • Wenn nein: Bundestag kann allein entscheiden, aber Vermittlungsausschuss möglich

Positionen der Verbände

Sozialverbände: Massive Kritik

Paritätischer Wohlfahrtsverband:

  • Warnt vor "Rückkehr zur Agenda-Politik"
  • Fordert Beibehaltung des Qualifizierungsansatzes
  • Kritisiert Totalsanktionen als verfassungswidrig

Diakonie und Caritas:

  • Betonen christliches Menschenbild
  • Existenzminimum muss unantastbar sein
  • Sanktionen dürfen nicht in Obdachlosigkeit führen

AWO (Arbeiterwohlfahrt):

  • Reform gefährdet soziale Absicherung
  • Besonders vulnerable Gruppen werden benachteiligt

Gewerkschaften: DGB-Position

Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert:

  • Druck auf Niedriglohnsektor durch erweiterte Zumutbarkeit
  • Verlust des Weiterbildungsgeldes schadet Qualifizierung
  • Aufstocker werden zusätzlich belastet

Wirtschaftsverbände: Grundsätzliche Unterstützung

BDA (Arbeitgeber):

  • Begrüßt verschärfte Sanktionen
  • Fordert stärkere Vermittlung in Arbeit
  • "Arbeitsanreize" müssten gestärkt werden

BDI (Industrie):

  • Unterstützt Zumutbarkeitsverschärfungen
  • Warnt aber vor zu bürokratischen Regelungen

Verfassungsrechtliche Debatte

Das BVerfG-Urteil 2019

Das Bundesverfassungsgericht hat klare Grenzen gesetzt:

  1. Menschenwürde: Das Existenzminimum ist verfassungsrechtlich geschützt
  2. Sanktionsgrenzen: Über 30% nur bei "nachweisbarem zumutbarem Verhalten"
  3. Totalsanktionen: "Im Regelfall" verfassungswidrig
  4. Härtefallprüfung: Muss immer möglich sein

Juristischer Streit

Befürworter der Reform argumentieren:

  • Neue Regelungen bewegen sich im Rahmen des BVerfG-Urteils
  • Totalsanktionen nur als "Ultima Ratio" vorgesehen
  • Härtefallregelungen sind vorgesehen

Kritiker argumentieren:

  • Geplante Sanktionen überschreiten BVerfG-Grenzen
  • "Ultima Ratio" wird in der Praxis zur Regel
  • Klagen vor dem Verfassungsgericht sind zu erwarten

Gesellschaftliche Debatte

Öffentliche Meinung

Umfragen zeigen gespaltene Meinungen:

  • Pro Reform: Ca. 48% befürworten strengere Regeln
  • Contra Reform: Ca. 39% lehnen Verschärfungen ab
  • Unentschieden: Ca. 13% haben keine klare Meinung

Mediale Darstellung

Die Berichterstattung zur Reform ist stark polarisiert:

  • Boulevardmedien: Oft Fokus auf "Sozialschmarotzer"-Narrative
  • Qualitätsmedien: Differenziertere Betrachtung, aber auch Kritik
  • Soziale Medien: Starke Emotionalisierung auf beiden Seiten

➡️ Mehr zur Medienberichterstattung

Politisch aktiv werden

Sie möchten sich an der Debatte beteiligen? Hier einige Möglichkeiten:

Demokratische Teilhabe

  1. Abgeordnete kontaktieren: Schreiben Sie Ihrem Bundestagsabgeordneten
  2. Petitionen: Unterstützen oder starten Sie Petitionen beim Bundestag
  3. Anhörungen: Verfolgen Sie öffentliche Anhörungen im Bundestag
  4. Verbände: Schließen Sie sich Organisationen an, die Ihre Position vertreten

Informiert bleiben

  • Verfolgen Sie die Bundestagsdebatten
  • Lesen Sie die Stellungnahmen der Verbände
  • Informieren Sie sich über Ihre Rechte bei unserem Portal

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Hinweis: Politische Positionen und Gesetzgebungsverfahren können sich schnell ändern. Diese Übersicht entspricht dem Stand Dezember 2025. Für aktuelle Entwicklungen verfolgen Sie die offiziellen Quellen des Bundestages und der Bundesregierung.